Forschungsprojekt
Reform des Islam in China: Aushandlungsprozesse sIno-muslimischer (Hui) Subjektivitäten, 1900-1960 / Negotiating Modern Sino-Muslim (Hui) Subjectives, 1900-1960: Reforming Islam in China
Dem Projekt zugeordnete Organisationseinheit
Weitere beteiligte Organisationseinheiten
Titel (Deutsch)
Reform des Islam in China: Aushandlungsprozesse sIno-muslimischer (Hui) Subjektivitäten, 1900-1960
Titel (Englisch)
Negotiating Modern Sino-Muslim (Hui) Subjectives, 1900-1960: Reforming Islam in China
Beschreibung (Deutsch)
Gegenstand des Projektes ist die Herausbildung eines modernen Selbstverständnisses chinesischer Muslime im zwanzigsten Jahrhundert im Spannungsfeld zwischen islamsicher Identität und Zugehörigkeit zur chinesischen Nation. Diese Spannung hat zwar erst in den letzten Jahren im Zusammenhang mit staatlichen Maßnahmen zur „Sinifikation“ des Islams international Beachtung gefunden, sie besteht jedoch seit der ausgehenden Qing Dynastie und wurde intensiviert durch die Bildung des chinesischen Nationalstaates der Republik. In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war die Frage, ob und wie die islamische Tradition und Modernisierung vereinbar seien, Gegenstand von Diskussionen, die sich in zahlreichen sino-muslimischen Printmedien widerspiegeln. Die Rekonstruktion und Analyse dieser Diskurse, deren Themen und Argumentationsmuster teilweise bis heute wirksam sind, stehen im Zentrum des Projektes.Die Diskussionen um eine Reform des chinesischen Islam sind nur ein Aspekt eines umfassenderen Diskurses über die Herausbildung einer modernen sino-muslimischen Subjektivität. Subjektivität dient uns als analytischer Schlüsselbegriff mit dem wir subjektive Deutungs- und Handlungsräume, Habitus, Wertungen, Selbstbilder und Empfindungen bezeichnen, die in Diskursen artikuliert und formiert werden. Sino-muslimische Subjektivitäten bildeten sich im zwanzigsten Jahrhundert in einem diskursiven Rahmen, der durch lokale Traditionen, Modernisierung, nationale Politik und transnationale islamische Netzwerke geprägt war. Die in diesem Spannungsfeld entstehenden Dynamiken und ihren Niederschlag in der Herausbildung moderner muslimischer Subjektivitäten will das Projekt untersuchen. Der Subjektivitätsbegriff hilft uns, im Gegensatz zu staatszentrierten Forschungsansätzen, chinesische Muslime nicht als passiv politischen Entwicklungen ausgesetzt zu begreifen, sondern als Akteure sichtbar zu machen. In einer Kombination von Diskurs- und Netzwerkanalyse sollen vier Themenfelder behandelt werden: (1) Verschiebungen im Bereich des Islamverständnisses von einer Fundierung in Sufismus und spekulativer Philosophie hin zu rationalem Schrifttum bei gleichzeitiger Tendenz zur Standardisierung muslimischer Praxis; 2) Schaffung eines modernen Habitus und Epistems durch Reformen im Bildungsbereich; 3) Normierung geschlechtsspezifischer Frömmigkeit und Körperlichkeit; 4) Reaktionen auf moderne ökonomische Rationalitäten. Bis heute spielen diese vier Bereiche eine konstitutive Rolle bei der Aushandlung muslimischer Subjektivitäten in China. Eine Analyse der diesbezüglichen Debatten während der chinesischen Republik ist daher nicht nur von historischem Interesse, sondern wird auch unser Verständnis gegenwärtiger chinesischer Muslime, ihrer Haltung gegenüber dem chinesischen Staat sowie ihrer Position innerhalb globaler islamischer Diskurse verbessern.
Beschreibung (Englisch)
The project focuses on the formation of a modern self-image of Chinese Muslims in the twentieth century. This self-image had to position itself between being a Muslim and a modern Chinese national. Although the intricate tension between Muslim identity and Chinese citizenship has attracted international attention only in recent years in connection with government measures toward the "sinification" of Islam, it has existed since the end of the Qing Dynasty and was intensified by the formation of the Chinese nation-state of the Republic. In the first half of the twentieth century, the question of whether and how the Islamic tradition and modernization could be reconciled was the subject of discussions that are reflected in numerous Sino-Muslim print media. The reconstruction and analysis of these discourses, some of whose themes and patterns of argumentation are still effective today, are at the center of the project.The discussions about a reform of Chinese Islam are only one aspect of a broader discourse about the emergence of a modern Sino-Muslim subjectivity. For us, subjectivity serves as a key analytical term that is used to describe subjective spaces of interpretation and action, habitus, evaluations, self-images, and feelings that are articulated and formed in discourses. Sino-Muslim subjectivities emerged in the twentieth century in a discursive framework that was shaped by local traditions, modernization, national politics, and transnational Islamic networks. The project aims to examine the dynamics arising at the nexus of these factors, and their impact on the formation of modern Muslim subjectivities. In contrast to state-centered approaches, the concept of subjectivity helps us to understand Chinese Muslims not as passively exposed to political developments, but rather to make them visible as actors. In a combination of discourse and network analysis, four thematic areas will be addressed: (1) shifts in the understanding of Islam from a foundation in Sufism and speculative philosophy to scripturalism, with a simultaneous tendency to standardize Muslim practice; 2) creation of a modern habitus and episteme through reforms in education; 3) standardization of gender-specific piety and bodily knowledge; 4) reactions to modern economic rationalities. To this day, these four areas play a constitutive role in the negotiation of Muslim subjectivities in China. Analysis of the debates on these issues during the Chinese Republic is therefore not only of historical interest but will also improve our understanding of contemporary Chinese Muslims, their attitudes towards the Chinese state, and their position within global Islamic discourses.
Projektbeginn
01.04.2022
Projektende
29.09.2025
Antragsteller_in
Projektleitung
Externe Projektwebsite
Übergeordnetes Projekt
Am Projekt beteiligte Mitarbeiter_innen
Finanzierung des Projekts durch
  • Mittelgeber
    DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft
Verbundprojekt
Publikation

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